22.02.2022 - Es braucht ein ganzes Dorf

„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Dieses afrikanische Sprichwort gilt sinngemäß auch für die (Wieder-) Eingliederung von obdachlosen Menschen, egal welcher Herkunft. Es braucht Wohnungen und es braucht die Zusammenarbeit aller. Staat, Länder und Kommunen sind wichtig, können aber wohlmeinende Nachbarn, haupt- und ehrenamtliche Helfer und ein gutes Umfeld vor Ort nicht ersetzen.

Die Glücklichen
Herr Máthé

Text: Hildegard Denninger
Fotos: Hannes Rohrer

 

Und im letzten Herbst ...

... mussten wir akzeptieren, dass, selbst wenn nach unseren Vorstellungen alles passt – Zimmer, Mitbewohner, Lage –, es vorkommen kann, dass die Vorstellungen des betreuten Mieters andere sind als unsere. Und dass sich ein ehemals obdachloser Mensch in seiner neuen Umgebung einsam fühlen kann und kündigt. Obwohl es schon kalt war, ist einer unserer Mieter ausgezogen und schläft nun wieder im Freien. Er hat ordentlich gekündigt, sein Zimmer sauber hinterlassen, die Schlüssel abgegeben und die Möbel, die er mithilfe des Vereins BISS gekauft hatte, in der Wohnung belassen, sodass der Nachmieter sofort einziehen konnte. Es war das erste Mal, seit die Stiftung Wohnungen vermietet, dass jemand ausgezogen ist, ohne eine andere Wohnung zu haben. Wir haben es nicht verstanden und es hat uns sehr leidgetan, aber wir mussten es schweren Herzens akzeptieren. Es gibt aber auch Erfreuliches zu berichten vom letzten Jahr, sehr Erfreuliches sogar!

Herr Máthé auf seinem Balkon
Herr Máthé auf seinem Balkon

Appartement mit Balkon und freiem Blick zum Park.

Abwasch
Gardinen werden aufgehängt

Geschirrspülen geht dem Hausherrn leicht von der Hand, aber zum Vorhangaufhängen braucht er einen Profi.

Ein Glücksfall

Das Appartement in Laim, das wir 2021 erwerben konnten, liegt gleich um die Ecke von unserer 2-Zimmer-Wohnung, in der seit 2019 eine Verkäuferin mit ihren betagten Eltern wohnt. Wir freuen uns, dass wir nun zwei nah beieinanderliegende Wohnungen haben, denn mit den Standorten unserer Wohnungen können wir nicht allzu wählerisch sein. Wir nehmen, was wir bekommen und bezahlen können, wenn es nicht ganz weit außerhalb Münchens liegt und einigermaßen gut zu erreichen ist. Aber es macht für die Stiftung, für den Sozialarbeiter und die Ehrenamtlichen,die die Menschen in der neuen Bleibe betreuen, einen Unterschied, ob sie eine Stunde oder einen halben Tag lang unterwegs sind, um von einer Wohnung zur anderen zu kommen. Am meisten Grund zur Freude aber hat Herr Máthé, der BISS-Verkäufer, der im Oktober dort eingezogen ist. Herr Máthé hatte mit Gelegenheitsarbeiten sein Geld verdient, bevor er zu BISS kam, und war durch die teilweise schwere körperliche Arbeit gesundheitlich sehr angeschlagen. Seit September 2017 ist er angestellter BISS-Verkäufer. Er lebte bis zum Einzug in das Laimer Appartement im Oktober 2021 als Selbstzahler in einer Pension. Pensionen sind nicht immer gut, aber immer teuer! Herr Máthé hat sich mithilfe von BISS in den letzten vier Jahren berappelt. Er ist sehr zuverlässig und fleißig, hat sich gesundheitlich erholt und alles, was nötig war, gemacht, um auf die Beine zu kommen. Gern zeigt er Fotos von seinen Enkelkindern, die er bei der Taufe eines der Enkel gemacht hat. Er ist stolz auf sie und er kann auch stolz auf sich sein. Denn er hat die Unterstützung, die ihm bei der Stiftung und der Straßenzeitung BISS angeboten wurde, angenommen und seine Chance genutzt.

Herr Máthé  macht Haushalt

Herr Máthé hat es gern sauber.

Dabei geholfen haben ihm die freundlichen Mitarbeiter vom BISS-Büro und ein Sozialarbeiter, eine Sozialarbeiterin, eine Praktikantin, ein Ehrenamtlicher, ihm zugewandte Stammkunden und eine BISS-Leserin. Vielleicht kein ganzes Dorf, aber es brauchte viele Leute! Das hat bei Herrn Máthé sogar das Jobcenter des Landkreises München eingesehen und dem Verein BISS einen Eingliederungszuschuss gewährt – wenn auch erst nach einem Gerichtsverfahren.

Glücksfall mit Stern

Eine langjährige Kundin von BISS hatte in der Januar-Ausgabe 2019 den Artikel „10 Jahre Stiftung BISS – Ein Blick hinter die Kulissen“ gelesen, in dem auch die Gremien der Stiftung und die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, vorgestellt wurden. Den Architekten Christian Herde, der die Renovierung der meisten unserer Wohnungen geplant und betreut hat, kennt und schätzt sie ebenfalls. Die Leserin teilte uns mit, dass sie uns unterstützen wolle, indem sie uns eine Wohnung zum Marktpreis verkaufe, wir aber nur 25 Prozent des Preises bezahlen müssten und den Rest mit einer Spendenquittung begleichen könnten (gemäß dem letzten Punkt im Kasten rechts). Mir blieb erst einmal die Sprache weg und es flossen ein paar Freudentränen, denn so etwas war uns bis dato noch nicht passiert, aber dann war der Jubel groß. Das war im Februar 2020, wo alle in Sorge waren, wegen Corona. Aufgrund der Pandemie dauerte es auch einige Monate, bis wir in Intervallen alles erledigt hatten: Besichtigung der Wohnung, Vorstellung beim Mieter, Stellungnahme zur Kaufentscheidung durch den dafür zuständigen Stiftungsrat, Umlaufbeschluss durch den gesamten Stiftungsrat, Auskunftseinholung und Rückversicherung beim Finanzamt und schließlich Vertragsabschluss beim Notar. Mehrmals dachte ich: ob wir das wirklich über die Bühne bringen bis zum 1. Januar 2021? Und: Hoffentlich überlegt es sich unsere Gönnerin nicht doch noch anders. Aber es hat geklappt. Dank einer Frau, die nicht nur ein großes Herz hat, sondern auch alles, was von ihrer Seite aus zu tun war, schnell und umsichtig erledigte und das auch von uns so erledigt haben wollte. Die Zusammenarbeit klappte wie am Schnürchen. Kein Bilanzbuchhalter hätte es besser machen können! Die Wohnung ist vermietet und in sehr gutem Zustand.

Hildegard Denninger und Herr Máthé

Hildegard Denninger und der neue Mieter im Gespräch.

Wir haben den Mieter selbstverständlich zu gleichen Bedingungen übernommen und sind glücklich, so eine schöne Wohnung bekommen zu haben. Unserer Gönnerin danken wir von ganzem Herzen für ihre noble Spende, ihre Großzügigkeit und ihre Bereitschaft, von ihrem Besitz etwas abzugeben. Wir werden sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden halten und ihr jedes Jahr die Januar-BISS mit dem Stiftungsartikel zukommen lassen. Und wer weiß, vielleicht findet ihr Beispiel ja Nachahmer!

 

Die stiftungseigenen Wohnungen/Appartements auf einen Blick

Zugang 2015:

Das Appartement in Obersendling

Unsere erste Wohnung überhaupt haben wir von einer Gönnerin von BISS gekauft und den Mieter zu gleichen Bedingungen übernommen. Er arbeitet schon viele Jahre in einem gastronomischen Betrieb in München und unterstützt mit seinem Lohn seine Frau und seine drei Kinder, die vom Senegal nach Frankreich gezogen sind. Dort kam er auch unter, als das Appartement Anfang 2021 wegen Renovierung zwei Monate nicht bewohnbar war. Jetzt strahlt die Wohnung mit dem Mieter um die Wette.

Zugang 2016:

Die 3-Zimmer- Wohnung in Solln

Sie konnten wir ebenfalls von einer BISS-Gönnerin erwerben und darin nach einer Sanierung unsere erste BISS-Wohngemeinschaft (wir berichteten) unterbringen. Seitdem wohnen immer drei BISS-Verkäufer dort. Eigentlich sind die Mietverträge befristet, aber nur einer der Herren konnte 2017 ein eigenes Appartement anmieten. Die anderen beiden WG- Bewohner sind noch da und verstehen sich auch gut mit dem neuen, der 2017 dazukam.

Zugang 2017:

Das Appartement in Sendling/Westpark

Diese Schenkung hat der Verein BISS 2013 von einem Geschwisterpaar erhalten. Der langjährige Mieter wurde zu gleichen Bedingungen übernommen, was ganz im Sinne der Schenkenden war. 2017 wurde die Immobilie mit ihrer Zustimmung auf die Stiftung BISS übertragen.

Zugang 2017:

Das Appartement in Berg am Laim

Wie die Wohnung in Solln wurde dieses Appartement eigentlich befristet vermietet in der Hoffnung, für unsere Verkäuferin dauerhaft außerhalb von BISS eine Wohnung zu finden. Die Hoffnung wurde bislang nicht erfüllt, deshalb wohnt hier seitdem die vormals obdachlose Frau mit kleinem Hund und häufig genutzter Waschmaschine.

Zugang 2017/Umwidmung 2020:

Das Dachgeschoss in Karlsfeld

Diese Wohnung wurde bis zum Umzug in ihr neues Haus im Sommer 2019 vereinbarungsgemäß von den bisherigen Eigentümern bewohnt. Nach Renovierung der Wohnung zog im Februar 2020 eine vierköpfige syrische Flüchtlingsfamilie ein, die schon vorher jahrelang in Karlsfeld in einer Unterkunft gelebt hatte. Die Kinder konnten so weiterhin in ihre Schule gehen und der Vater zu seiner Arbeitsstelle, beides ist fußläufig gut erreichbar.

Zugang 2019:

Die 2-Zimmer- Wohnung in Laim

Hier hat eine BISS-Verkäuferin zusammen mit ihren betagten Eltern ein Zuhause gefunden. Sie sind aus einer 2-Zimmer-Wohnung, die sie sich mit sieben Personen teilten, „ins Paradies umgezogen“.

Zugang 2020:

Die 2-Zimmer- Wohnung in Starnberg

Diese Wohnung ist ein Sonderfall. Wir sind die Eigentümer der Wohnung, aber Grund und Boden gehen nach etwa 50 Jahren in den Besitz einer Firma über, an die die Stadt Starnberg das Erbbaugrundstück verkauft hat. Die Wohngemeinschaft besteht aus zwei vormals obdachlosen BISS-Verkäufern, die sich aus dem BISS-Sprachkurs kennen und nun auch nach Dienstschluss Deutsch üben können, denn ihre Muttersprachen sind Slowakisch und Rumänisch.

Zugang 2021:

Die 2,5-Zimmer-Wohnung in Martinsried

Eine langjährige Kundin von BISS hatte in der Januar-Ausgabe 2019 den Artikel „10 Jahre Stiftung BISS – Ein Blick hinter die Kulissen“ gelesen. Dies war der Anfang einer Geschichte, die damit endete, dass wir seit Januar 2021 Eigentümer einer weiteren wunderschönen Wohnung sind.

Zugang 2021:

Das Appartement in Laim

In die zweite Wohnung, die wir in Laim erwerben konnten, ist der BISS-Verkäufer Ferenc Máthé eingezogen.

 

Wie kann man die Stiftung beim Kauf von geeigneten Immobilien zur Versorgung und Betreuung armer, ausgegrenzter Menschen unterstützen?

  • mit Spenden, die zum Kauf beitragen
  • Mit Schenkungen, Vermächtnissen, Erbschaften
  • Mit einem moderaten Kaufangebot für eine Wohnung oder ein Appartement
  • Mit einem Kaufangebot für eine Wohnung oder ein Appartement zum Marktpreis, das die Stiftung ganz oder teilweise mit einer Spendenquittung begleichen kann

Spendenkonto bei der Bank für Sozialwirtschaft

Stiftung BISS, Konto-Nr. 8872700, BLZ: 370 205 00
IBAN: DE12 3702 0500 0008 8727 00
BIC: BFSWDE33XXX

www.stiftungbiss.de
info@stiftungbiss.de
Telefon über BISS e. V.:
089 332033 / Frau Denninger
Mobil: 0160 4424367

Zweck der gemeinnützigen und mildtätigen Stiftung BISS sind die Förderung der Wohlfahrtspflege sowie der Ausbildung und Qualifizierung von Menschen in sozialen Schwierigkeiten und die Durchführung und Unterstützung von Projekten und Maßnahmen, die der Betreuung sowie der Integration dieser Menschen in die Gesellschaft dienen. Die Zwecke werden insbesondere verwirklicht durch Unterstützung der Zielgruppe bei der Beschaffung von geeignetem Wohnraum und Hilfestellung bei der Lebensgestaltung.

Bisher beschaffter Wohnraum:

Stiftungseigene Wohnungen: 9
BISS-eigenes Haus: 1
Angemietete Wohnungen: 12
Wohnplätze für insgesamt: 44 Personen

Die Stiftung BISS braucht Ihre Unterstützung.
Nur gemeinsam können wir etwas bewegen.

Vorstand:

Hildegard Denninger (Vorsitzende),
Dr. Giovanna Runggaldier

Stiftungsrat:

Richard Matzinger (Vorsitzender),
Dipl.-Ing. Bert Kühnöhl,
Prof. Dr. Joachim Braun